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20.10.2018Review: Day 3


Und alle im Bann von Saul Williams

 

Was für eine Mischung: Explosiv, nachdenklich und auch ein bisschen okkult gestaltete sich das Programm am dritten Abend von woerdz. Und der Auftritt von Stargast Saul Williams liess niemanden kalt.

 

«Warum hat der Typ einen Trainingsanzug an?», mochte man sich vielleicht fragen, als der Tubaspieler der Band Kaotik Trio im knallgelben Outfit die Bühne betrat. Doch die Frage wurde schnell beantwortet, denn gemeinsam mit Rapperin La Nefera, die für den diesjährigen Basler Pop-Preis nominiert ist, gingen sie zu ihren packenden Hip-Hop- und Balkan-Beats ab, als ob es kein Morgen geben würde.

 

«Don’t worry, Beyoncé»

Wer sich hingegen intensiv mit dem Morgen beschäftigte, war Jurczok 1001. Mit seiner Parodie des Weltwoche-Chefredaktors Roger Köppel erläuterte er in dessen typischen Duktus die Probleme der heutigen Zeit, denn: Das Volk ist voll. «Wenn eine Bevölkerung sich so weit vom Volk entfernt, dass sie nicht mehr weiss, wer das Volk ist, dann sprechen wir von einer Scheinbevölkerung», dozierte Jurczok im langsamen Rhythmus und verlieh jedem Wort ein aussergewöhnliches Gewicht; so viel Gewicht, dass das Publikum der scheinphilosophischen Wucht des Gesprochenen nicht mehr entfliehen konnte.

 

Und es blieb philosophisch, als Jurczok von seiner Zeit in New York erzählte, wo man ja nicht einfach so hingehe, sondern, um die wahre Inspiration zu suchen. Diese fand er dann auch – auf den T-Shirts von Passantinnen und Passanten: «Don’t worry, Beyoncé», «Relax gringo, I am legal» und «St. Tropez, j’arrive».

 

Schliesslich sei die Muse, die künstlerische Inspiration nicht leicht zu finden. Nein, sie lässt einen warten oder Reime schreiben, die vielleicht nicht so ganz zusammenpassen, wie Spoken-Word-Künstlerin Fatima Moumouni mit ihrem noch nicht so ganz fertigen Rap aufzeigte. Sie ging ihn auf der Bühne durch, analysierte die einzelnen Zeilen. «Is ok, oder?», fragt sie zwischendurch das Publikum. Schliesslich geht es ums Ausprobieren, ums Scheitern und Scheiterndürfen und um die Fähigkeit, dann eben drauf zu scheissen.

 

Mehr rot, mehr weiss, oder doch eher beige?

Thematisiert wurden auch Fragen um Rassismus, um Werte und Identität. Darum, ob und wie man seine eigene «weisse» Hautfarbe beschreiben soll. Wie sieht sie denn aus? Etwa wie pasteurisierte Milch, Blumenkohl oder vielleicht doch wie ein Hähnchen, das noch nicht ganz durchgebraten ist? «Hast du dich jemals gefragt, welche Farbe du hast?» fragt einer der Charaktere in Fatimas Text. «Meine?», fragt der andere. «Die ist Hautfarbe».

 

«Beliefs are the police of the mind»

Stargast des Abends war der Poet Saul Williams, der im langen dunklen Mantel das Publikum mit seiner mystisch-gelassenen Erscheinung und seinen hypnotisierenden Worten in den Bann zog. Er sprach von Labels, die zu Werten werden, mit denen wir uns dann identifizieren. Wie diese Werte, die zu den unseren werden, sich in unserem Kopf einnisten, zur Gedankenpolizei werden und andere, uns fremde Werte ausschliessen. So fragte er: «What is your mind’s immigration policy?»

 

Und wie sprechen wir morgen?

Wie so vieles anderes lassen sich Werte und Identitäten mit Sprache vermitteln. Doch ist unsere noch die richtige Sprache? Damit beschäftigten sich Illustratorin Lika Nüssli und Autor Gion Mathias Cavelty im Rahmen des Werkauftrags «Sprache der Zukunft – Zukunft der Sprache». In Trance malten und entwarfen sie ein eigenes Alphabet, indem sie – wie damals im 16. Jahrhundert John Dee und Edward Kelly die henochische Sprache von einer höheren Macht empfingen. Doch als Lika und Gion Mathias versuchten, während eines okkulten Ritus den letzten Buchstaben zu empfangen, um ihr neues Alphabet zu vervollständigen, scheiterten sie. Vielleicht sollte uns die Sprache der Zukunft nicht von einer höheren Macht diktiert werden.

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