menu

20.10.2016Screened, Screamed and Spoken Words


Den Abend mit einem Meister zu eröffnen, ist eine kühne Programmansage. Der zweite woerdz-Festivaltag wagte es – und durfte zu später Stunde auf einen ganz und gar meisterhaften Auftritt-Reigen zurückblicken.

 

Gerhard Meister versprach zunächst Wellness. Dann aber feuerte er Kuren, Pülverchen und Heilsversprechen aufs Publikum los: Ran an die Gesundheitsmanie und Hypochondrie! Entspannung war den Ohren kaum gegönnt, aber das Amüsement wog dies doppelt auf. Es folgte Text um Text, dichte, hintersinnige, saukomische Texte. Das Publikum, gestern noch grün hinter den Ohren, heute ebendort vermehrt silbergrau, taute auf.

 

Die Slampoetin Patti Basler und der Pianist Philippe Kuhn übernahmen. Sie betrieben mit Rotstift und Hellraumprojektor Frontalunterricht – eine rasante Lektion zum Schweizer Schulwesen. Da wurde über alle Sprach- und Schmerzgrenzen hinweg diagnostiziert, charakterisiert und sinniert; über ADHS, Lehrplan 21, HarmoS, den lernschwachen René und die alpenmassive Lehrerin Fräulein Scheidegger.

 

Guy Krneta suchte anschliessend auf der Bühne seinen Text. Sprachlich, nicht wirklich. Oder? Der charismatische Berner machte in einem gewitzten Vexierspiel die Textproduktion zum Thema. Wann ist ein Text ein Text? Und was tun mit der Erwartungshaltung des Literaturbetriebs, wenn der neue Roman einfach nicht in die Gänge kommt?

 

Und überhaupt: «Why would you do a poem?» Warum Literatur, warum Kunst? Bühne frei für Laurie Anderson, Stargast am zweiten woerdz-Abend. Was Krneta in Mundart begann, führte die Künstlerin mit dem sonoren Timbre in Multimedia weiter. In einer präzis orchestrierten Show reflektierte die amerikanische Poetin über Sprache, Geschichten, Politik. Mühelos reihte die zierliche Künstlerin witzige Anekdoten, bissige politische Statements und berührende bis verstörende Erinnerungen aneinander. Ein Spoken-Word-Spektakel: Während Anderson mithilfe einer selbst entwickelten Rachengeige kehlige Laute fauchte, schneite es im Hintergrund Buchstaben. Ein gewaltiger Auftritt.

Mitternacht rückte näher und das groggy Gros des Publikums verliess den Südpol in Richtung Nestwärme. Wie schade! Denn was als letzter Beitrag folgte, sprengte dem Spoken-Word-Begriff noch die verbliebenen Grenzkrümel weg. Im Rahmen des Werkauftrags zur «Fünften Landessprache» erarbeiteten die südafrikanische Wortkünstlerin Burni Aman und der Schweizer Autor Jens Nielsen mit den Musikern Davide Di Spirito, Meisterbeatz und Toni Schiavano eine explosive Konzertlesung. Dank der filigranen Gedichte, politischem Rap, fetten Beats und ihrer offensichtlichen Freude am gemeinsamen Arbeiten ein meisterhafter Abschluss.

menu
bg-01
woerdz-2018-bg-04
woerdz-2018-bg-05
HGB_2020_12
woerdz-2018-bg-10
HGB_2020_17
woerdz-2018-_DSC6186
woerdz-2018-bg-15
Laurie Anderson am woerdz Festival I'm Südpol Luzern
woerdz-2018-bg-16
hgb_2020_3
hgb_2020_1
woerdz-2018-lations126
woerdz-2018-bg-13
woerdz-2018-bg-12
hgb_2020_20
hgb_2020_19
hgb_2020_16_3
hgb_2020_2-1_3
2345_2